giga Interview Marken Nachhaltigkeit Outdoor
7 Fragen an PATAGONIA
Nachhaltige Produktion ist für die Marke Patagonia wichtig. Lesen Sie hier, Patagonias Antworten auf sieben kritische Fragen zum Thema Nachhaltigkeit.
Patagonia hat sich über 30 Jahre lang auf dem Outdoor- Sportartikelmarkt bewährt und sich als Top-Marke im Outdoorbereich einen Namen gemacht. Ein Unternehmen, das von Beginn an Wert auf die Verbundenheit von Mensch und Natur legt. Wie geht das mit der allgemeinen Herstellung und Produktion von Bekleidung einher, die wie nicht unlängst durch Medien stark publiziert, eine Belastung für die Umwelt darstellt?
Unser Leitbild ist seit 44 Jahren unverändert: Stelle das beste Produkt her, richte dabei keinen unnötigen Schaden an, nutze das Unternehmen dazu, andere zu inspirieren und Lösungen zur Bewältigung der Umweltkrise umzusetzen.
Patagonias Fokus auf Umweltthemen beruht auf der Tatsache, dass unser Unternehmen auf die Herstellung von Ausrüstung und Bekleidung für Outdoor-Aktivitäten spezialisiert ist. Seit jeher lieben wir die wilden Orte der Welt und sorgen uns um ihren Schutz.
Um die Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern, analysiert Patagonia die Rohstoffe und versucht, nach Möglichkeit bessere Alternativen zu finden. Mitte der 90er Jahre hat Patagonia den Umstieg auf 100 Prozent Bio-Baumwolle vorgenommen – jetzt auch in landwirtschaftlichen Betrieben, die regenerativen Anbau betreiben. Patagonia ist Pionier bei recyceltem Polyester, das bereits seit 25 Jahren eingesetzt wird. Wir haben 100% Neopren-freie Wetsuits aus Yulex, FSC-zertifiziertem Naturkautschuk auf den Markt gebracht und haben die Technologie auch für andere Marken freigegeben, um diesem Beispiel zu folgen.
Patagonia legt bekanntlich Wert darauf Mitarbeiter zu beschäftigen, die eine Liebe zur Natur hegen und versucht ihnen eine Verbindung zwischen Arbeitsplatz und Hobby im Outdoorbereich zu ermöglichen. Ganz nach dem Motto und Buchtitel von Yvon Chouinard, dem Gründer von Patagonia: „Let my people go surfing!“. Lässt sich so eine scheinbar „freie“ Arbeitsumgebung und so ein lockeres Arbeitsklima auch in der Realität umsetzen, ohne den Workflow zu stören? Oder braucht es genau solche Möglichkeiten und Leidenschaften um neue Schöpfungsgruben für Kreativität und Hochleistungen zu öffnen?
Wir stellen Leute ein, die sich für die Umwelt und die Natur interessieren. Menschen, die den Grund für Patagonias Existenz und die Motivation wie hier Geschäfte gemacht werden verstehen, schätzen und unterstützen. Deshalb ist es uns wichtig, eine Kultur zu schaffen, die die Liebe zu diesen Dingen unterstützt und fördert. Wir bezahlen beispielsweise zweimonatige Umweltpraktika. Wir wollen ein Umfeld schaffen, das es ermöglicht, für die Gemeinschaft aktiv zu werden.
Wir legen Wert auf eine gesunde Work-Life-Balance und möchten es unseren Mitarbeitern ermöglichen, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Daher haben wir eine progressive Elternzeitpolitik eingeführt, was bedeutet, dass wir 16 Wochen voll bezahlten Mutterschaftsurlaub, plus 12 Wochen für Vaterschafts- und Adoptionsurlaub zur Verfügung stellen. Zusätzlich zu den im jeweiligen Land geltenden Gesetzen.
Patagonia-Mitarbeiter auf der ganzen Welt haben nicht nur die Möglichkeit, direkt an einer positiven Veränderung mitzuwirken, sondern auch ihre Zeit, Energie und Fähigkeiten dafür einzusetzen. Egal, ob es darum geht, an Demonstrationen teilzunehmen, ihr Geld für wohltätige Zwecke zu spenden, in unserem Grants Council mitzuwirken – in dem entschieden wird, welche Gruppen/Kampagnen unterstützt werden – oder ein Umweltpraktikum zu absolvieren.
Patagonia könnte sich wohl kaum noch mehr um sozial- und umweltschutztechnische Themen bemühen und engagieren, gibt es dennoch weitere anstehende Projekte dahingehend?
Unser globales Ziel ist es, von Schadenbegrenzung hin zu „Gutes tun“ zu kommen. Zum Beispiel mit Patagonia Action Works, einer neuen digitalen Plattform, die Kunden mit lokalen Umweltschutzgruppen verbindet, die sich für die Rettung des Planeten einsetzen. In den USA startete die Plattform bereits im Herbst 2017. In Europa ist der Start für 2019 geplant.
Das europäische Patagonia-Team unterstützt seit Jahren die Kampagne „Save the Blue Heart of Europe“, sowohl finanziell, als auch nicht monetär. Es handelt sich um eine Bewegung, die den Staudamm-Boom auf der Balkanhalbinsel zu stoppen versucht und so Europas letzte wilden Flusslandschaften schützen möchte. Die Kampagne wird von den NGOs Riverwatch und EuroNatur geleitet. In diesem Frühjahr wurde „Save the Blue Heart of Europe“ unsere erste globale Umweltkampagne, die sich auf ein europäisches Thema konzentriert. In diesem Sommer haben wir mehr als 120.000 Unterschriften an die EBRD-Zentrale in London überreicht, um die Banken aufzufordern, die Finanzierung der desaströsen Staudamm-Projekte zu stoppen.
Das Beste, was wir als Verbraucher tun können, ist, unsere Produkte länger zu nutzen. Diese einfache Maßnahme, die Lebensdauer unserer Kleidungsstücke durch angemessene Pflege und Reparatur zu verlängern, verringert die Notwendigkeit, im Laufe der Zeit mehr zu kaufen. Dadurch werden die CO2-Emissionen, der Abfall und der mit der Produktion verbundene Wasserverbrauch vermieden. In diesem Jahr bringen wir Worn Wear in die Surf-Communities von Newquay und Hossegor und bieten kostenlose technische Wetsuit-Reparaturen, unabhängig von der Marke.
Im Winter 2018 touren wir mit unserem eigens entworfenen, wintertauglichen Anhänger durch die Schnee-Destinationen in Europa und reparieren defekte Ski-Bekleidung. Wir kümmern uns um kaputte Reißverschlüsse, Risse, fehlende Knöpfe und Vieles mehr (unabhängig von der Marke) und nach dem Motto „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ – außerdem zeigen wir, wie man einfache Reparaturen selber durchführen kann.
Hindern die diversen neuartigen Verfahren, wie zum Beispiel die Archroma Advanced Denim Technology zur Färbung von Denim, das Unternehmen daran sich um speziell im Outdoorbereich essentielle Faktoren wie Funktionalität und Komfort genügend zu kümmern? Oder öffnen gerade diese neuartigen Verfahren und Techniken innovative Blickwinkel und Möglichkeiten diese Bereiche zu verbessern?
Das Mission Statement von Patagonia ist unsere absolute Leitlinie in allem was wir tun und ganz besonders in der Art und Weise, wie wir unsere Produkte herstellen. Das bedeutet, dass wir immer zuerst das beste Produkt herstellen wollen und dabei niemals Funktion, Leistung oder Komfort opfern. Wir tun auch alles uns Mögliche, um keinen unnötigen Schaden zu verursachen. Dies beinhaltet die Gewinnung und Herstellung der Materialien.
Im Fall von Archroma testeten wir das Produkt auf Langlebigkeit, Verblassung, Komfort usw. und stellten fest, dass es in der Qualität gleich oder überlegen ist. Darüber hinaus verbraucht der Färbeprozess weniger Wasser und Energie und produziert weniger CO2 als herkömmliche Denim-Färbeverfahren.
Die Zusammenarbeit mit hochmodernen Materialherstellern, die innovativ sind und die leistungsfähigsten Materialien herstellen und gleichzeitig den geringsten Schaden anrichten, ermöglicht uns eine Vorreiterrolle in diesem Bereich.
Zum Thema „Bio-Baumwolle“: Patagonia ging damals mit dem drastischen Umschwung von Baumwolle auf faire Bio- Baumwolle ein großes finanzielles Risiko ein. In wie weit beeinflusst diese Art von Rohstoff das Material der Produkte und wie transparent ist der Anbau des „Bio“ deklarierten Rohstoffes?
Seit Mitte der 1990er Jahre verwenden wir ausschließlich Bio-Baumwolle, da sie im Gegensatz zu konventionell angebauter Baumwolle den Einsatz von Chemikalien und anderen schädlichen synthetischen Substanzen und GMOs verbietet.
Aus Performance-Sicht testen wir unsere Produkte, um unseren hohen Qualitätsanspruch zu gewährleisten. Aus Gründen der Rückverfolgbarkeit arbeiten wir hauptsächlich mit vertikalen Lieferanten zusammen, um eine zusätzliche Transparenz auf der Ebene der Landwirtschaftsbetriebe zu erreichen, wir verlangen Zertifizierungen, wir beschäftigen engagierte Mitarbeiter, die die Rückverfolgbarkeit und Reinheit der Materialien überwachen und innerhalb der Branche eng zusammenarbeiten, um die Lieferkette kontinuierlich zu verbessern.
Darüber hinaus freuen wir uns, mit einigen unserer wichtigsten Lieferanten von Bio-Baumwolle die neue Regenerative Organic Certification (ROC) umzusetzen. ROC ist ein ganzheitlicher Farm- und Ranch-Standard, der die Gesundheit des Bodens verbessert und mit der Zeit mehr Kohlenstoff bindet, den Tierschutz verbessert und Landwirten, Viehzüchtern und Landarbeitern wirtschaftliche Stabilität und Fairness bietet. Wir freuen uns, ein Teil der ROC-Bewegung zu sein, weil sie ein großes Potenzial bietet, die Art und Weise zu revolutionieren, wie wir durch Landwirtschaft die Gesundheit unseres Planeten verbessern können.
Nachhaltigkeit ist in der Unternehmensphilosophie von Patagonia nicht mehr wegzudenken. Spielt Nachhaltigkeit auch eine Rolle bei der Auswahl des Personals und der Lieferanten? Oder wird fachtechnisches Wissen über diese Werte gestellt?
In der Tat benutzen wir das Wort Nachhaltigkeit sehr ungerne bei Patagonia. Wir sind uns bewusst, das wir als Unternehmen einen negativen Einfluss auf die Umwelt haben. Um es direkt zu sagen, wir nehmen mehr als wir geben. Deshalb geben wir unser Bestes, für die Zukunft eine regenerative Lieferkette zu etablieren.
Wir stellen Leute ein, die sich für die Umwelt und die Natur interessieren. Menschen, die den Grund für Patagonias Existenz und die Motivation wie hier Geschäfte gemacht werden verstehen, schätzen und unterstützen.
Welche Gründe gibt es dafür, dass Patagonia den Großteil ihrer Waren in Ländern herstellen lässt, die meist eher ein schlechtes Licht auf die Modeindustrie werfen indem Unternehmen, Arbeiter auszubeuten und generell schlechte Arbeitsbedingungen bieten? Wieso wird nicht ausschließlich auf Firmen und Arbeitskräfte im eigenen Land vertraut?
Patagonia arbeitet weltweit mit den besten Fabriken zusammen, die faire und sichere Arbeitsbedingungen sowie Umweltverträglichkeit promoten und auch tatsächlich leben.
Wir wählen diese Fabriken aus, um höchst funktionelle, langlebige Produkte herzustellen, die nicht auf einer Müllhalde enden.
Der erste Teil unseres Mission Statements lautet: “Stelle das beste Produkt her”. Deshalb sind wir besonders engagiert, Qualitätsprodukte herzustellen, die verantwortungsvoll produziert sind. Innerhalb der Industrie sind wir Spitzenreiter in Sachen Fair Trade Produktion. Keine andere Bekleidungs- oder Heimtextilien Marke hat mehr Teile ihrer Kollektion Fair Trade zertifiziert, als wir.
Wir haben sowohl durch zusätzliches Personal, als auch durch finanzielle Investitionen dafür gesorgt, dass die Fabriken die Fair Trade Zertifizierung bekommen haben. Jetzt ist es auch anderen Unternehmen möglich, in diesen Fabriken Fair Trade zertifizierte Produkte herstellen zu lassen. Vorausgesetzt, sie sind bereit, den Fair Trade Aufschlag pro Produkt zu bezahlen, über den die ArbeiterInnen dann selbst verfügen können. All die Arbeit und finanziellen Investitionen hin zur Fair Trade Zertifizierung der Fabriken, wurde von uns übernommen und ist für nachfolgende Marken nicht mehr zu leisten.
Birgit Grossmann (Interviewpartnerin) lebt in München und hat auf der Leopold-Franzens Universität in Innsbruck studiert. Unter anderem durch persönliches Interesse am Umweltschutz und an nachhaltiger Produktion wurde sie auf die Firma Patagonia aufmerksam. Mittlerweile ist sie seit 2016 für deren Markenauftritt in Deutschland und Österreich verantwortlich.
Über Patagonia
Firmengründer Yvon Chouinard begann Mitte der 1960er Jahre damit, selbstgemachte Kletterhaken aus dem Kofferraum seines Wagens zu verkaufen. Bereits 1970 war Chouinard Equipment der größte Produzent von Kletterausrüstung in den USA. Patagonia ist seit vielen Jahrzehnten für seine hochwertige Outdoorbekleidung für Damen und Herren bekannt. Alle Produkte folgen der Firmenphilosophie: Stelle das beste Produkt her, belaste die Umwelt dabei so wenig wie möglich, inspiriere andere Firmen, diesem Beispiel zu folgen und Lösungen zur aktuellen Umweltkrise zu finden.